Berufliche Vorsorge

Was ist unter einem Vorsorgeausgleich zu verstehen?

Für den Fall der Scheidung sieht das Gesetz einen Ausgleich der während der Ehe erworbenen beruflichen Vorsorge vor. Dieser Ausgleich wir Vorsorgeausgleich genannt. Dabei wird das während der Ehe erworbene Pensionskassenguthaben der beruflichen Vorsorge (2. Säule) zwischen den Ehegatten aufgeteilt (Art. 122 ZGB). Kurz gesprochen: Was die Eheleute während der Ehe bei ihren Vorsorgeeinrichtungen angespart haben, müssen sie im Falle der Scheidung aufteilen.

Wie erfolgt die Aufteilung des Vorsorgeausgleichs?

Der wesentliche Grundsatz bei der Aufteilung des Vorsorgeausgleichs ist die hälftige Teilung. Gemäss Art. 122 ZGB hat jeder Ehegatte Anspruch auf die Hälfte der für die Ehedauer zu ermittelnde Austrittsleistung des anderen Ehegatten.

Durchführung der Teilung:

  1. Zunächst wird das Pensionskassenguthaben im Zeitpunkt der Eheschliessung (Heirat) festgestellt. Die Zinsen werden ebenfalls berücksichtigt.
  2. Sodann wird das Pensionskassenguthaben im Zeitpunkt der Einleitung des Scheidungsverfahrens bestimmt. Auch hier sind die Zinsen zu berücksichtigen.
  3. Anschliessend ist die Differenz dieser beiden Pensionskassenguthaben zu ermitteln. Das bedeutet: Der Wert des Pensionskassenguthabens zum Zeitpunkt der Einleitung der Scheidung ist von dem Wert des Pensionskassenguthaben zum Zeitpunkt der Eheschliessung abzuziehen.
  4. Die dadurch eruierte Differenz ist letztendlich hälftig zu teilen. Somit bekommt jeder Ehegatte genau eine Hälfte des in der Ehe erworbenen Pensionskassenguthaben.

Kurzum: Für den Vorsorgeausgleich will das Gericht wissen, um wie viel die Pensionskassenansprüche bzw. das Altersguthaben jedes Ehepartners während der Ehe zugenommen hat.

Kann das Gericht auch von der hälftigen Teilung abweichen?

Gemäss Art. 124b ZGB kann das Gericht in folgenden Fällen von der hälftigen Teilung abweichen:

  1. Wenn die Ehegatten von der hälftigen Teilung abweichen oder gänzlich auf den Vorsorgeausgleich verzichten wollen, sofern eine angemessene Alters- und Invalidenvorsorge gewährleistet bleibt (Art. 124b Abs. 1 ZGB).
  2. Wenn wichtige Gründe vorliegen, kann das Gericht auch gegen den Willen der Parteien – teilweise oder ganz – auf die Vornahme des Vorsorgeausgleichs verzichten (Art. 124b Abs. 2 ZGB).

Was sind wichtige Gründe, wodurch das Gericht vom Vorsorgeausgleich abweichen kann?

Die wichtigen Gründe sind in Art. 124b Abs. 2 ZGB genannt, wobei diese Gründe nicht abschliessend aufgezählt werden. Dabei handelt es sich insbesondere um einen wichtigen Grund, wenn die hälftige Teilung unbillig wäre:

  • aufgrund der güterrechtlichen Auseinandersetzung oder wirtschaftlichen Verhältnisse nach der Scheidung.
  • aufgrund der Vorsorgebedürfnisse, vor allem unter Berücksichtigung des Altersunterschiedes zwischen den Ehegatten.

Kann das Gericht einem Ehegatten auch mehr als die Hälfte zusprechen?

Gemäss Art. 124b Abs. 3 ZGB kann das Gericht einem berechtigten Ehegatten auch mehr als die Hälfte der Austrittsleistungen zusprechen, wenn dieser beispielsweise die gemeinsamen Kinder nach der Scheidung betreut. Vorausgesetzt ist hierbei, dass der verpflichtete Ehegatte weiterhin über eine angemessene Alters- und Invalidenvorsorge verfügt.

Beispiel zur Berechnung des Vorsorgeausgleichs (alle Zahlen inkl. Zinsen):

Angenommen Herr A. J. hat zum Zeitpunkt der Einleitung des Scheidungsverfahrens ein Pensionskassenguthaben von CHF 320'000.00. Hiervon hat er während der Ehe CHF 150'000.00 angespart. Seine Ehefrau Frau B. J. hat zum Zeitpunkt der Einleitung des Scheidungsverfahrens ein Pensionskassenguthaben von CHF 80'000, welches sie ausschliesslich während der Ehe erworben hat.

Bei Herrn A. J. ist zunächst der Teil abzuziehen, welchen er vor dem Zeitpunkt des Eheschlusses bereits erworben hat. Der Wert des Pensionskassenguthabens, welcher ausdrücklich während der Ehe erworben worden ist, beträgt daher CHF 170'000 (= CHF 320'000.00 - CHF 150'000.00).

Insgesamt haben die Ehegatten also CHF 250'000.00 (= CHF 170'000.00 + CHF 80'000.00) Pensionskassenguthaben während der Ehe erworben. Dieser Teil wird zur Hälfte auf jeden Ehegatten aufgeteilt (CHF 250'000.00 : 2 = CHF 125'000.00).

Weil der zu teilende Betrag bei Frau B. J. kleiner ist (CHF 80'000.00 kleiner CHF 170'000.00), hat sie gegenüber Herrn A. J. einen Anspruch auf CHF 45'000.00 (= 125'000.00 – 80'000). Das Gericht ordnet deshalb die Pensionskasse von Herrn A. J. an, CHF 45'000 auf das Pensionskassenkonto von Frau B. J. zu bezahlen.

Was passiert mit dem Vorsorgeausgleich, wenn mein Mann vor Erreichen des Rentenalters invalid wird?

In Art. 124 ZGB findet sich eine Regelung für den Fall, dass ein Ehegatte vor Eintritt des Rentenalters invalide wird. Gemäss Art. 124 Abs. 1 ZGB wird zunächst die hypothetische Austrittsleistung festgelegt. Die hypothetische Austrittsleistung ist die Austrittsleistung, auf die der Ehegatte Anspruch hätte, wenn sein Anspruch auf Invalidenrente im Zeitpunkt der Scheidungseinleitung nicht gegeben wäre.
Diese hypothetische Austrittsleistung wird dann hälftig geteilt (Art. 124 Abs. 2 i.V.m. Art. 123 ZGB).

Was passiert mit dem Vorsorgeausgleich, wenn ein Ehegatte bereits im Rentenalter ist?

Wenn ein Ehegatte bereits im Rentenalter ist, wird die Teilung der während der Ehe erworbenen beruflichen Vorsorge nach Art. 124a ZGB durchgeführt.
Durch Eintritt in das Pensionsalter tritt der Vorsorgefall definitiv ein. Eine Austrittsleistung kann dann nicht mehr berechnet werden. Deshalb nimmt das Gericht eine Aufteilung nach eigenem Ermessen vor (Art. 124a Abs. 2 ZGB).