Der nacheheliche Unterhalt basiert auf der Idee des Ausgleichs der durch die Scheidung entstandenen Nachteile. Je nach Umständen sowie Scheidungszeitpunkt – bspw. eine ungleiche Rollenverteilung oder Kinder – können sich verschiedene Nachteile im Unterhaltsbereich ergeben, weil die Versorgung der Ehegatten und Kinder nach der Scheidung nicht mehr durch das gemeinsame Zusammenwirken der Ehegatten gesichert ist. Diesen Nachteilen soll daher der nacheheliche Unterhalt entgegenwirken, indem die negativen Nebenfolgen der Scheidung gerecht auf Ehefrau und Ehemann verteilt werden.
Wenn ich nicht in der Lage bin, für meinen gebührenden Unterhalt einschliesslich einer angemessenen Altersvorsorge in zumutbarer Weise aufzukommen, hat mein Ehegatte einen angemessenen Beitrag zu leisten (Art. 125 Abs. 1 ZGB). Dieser Beitrag kann nur ausnahmsweise entfallen, und zwar dann, wenn er offensichtlich unbillig wäre – wie z.B. bei einer mutwilligen Herbeiführung der Bedürftigkeit oder einer groben Verletzung der Pflicht, zum Unterhalt der Familie beizutragen (Art. 125 Abs. 3 ZGB).
Beispiel: Wenn ich während der Ehe keiner Erwerbstätigkeit nachgehe, um mich um die Kinder und den Haushalt zu kümmern, hat mein Ehegatte bei der Scheidung grundsätzlich Unterhalt zu bezahlen.
Im Grundsatz orientiert sich der gebührende Unterhalt an der Leistungsfähigkeit beider Ehegatten sowie am Standard, den die Eheleute während der Ehe gelebt haben. Ausnahmen sind:
Das Gericht berücksichtigt bei der Frage, ob, in welcher Höhe und wie lange ein Anspruch auf Unterhalt besteht, folgende Kriterien (Art. 125 Abs. 2 ZGB):
Die Aufgabenteilung während der Ehe hat einen Einfluss auf den nachehelichen Unterhalt:
Bei diesem Kriterium ist zu beachten, dass nicht nur die Dauer, sondern vor allem die Lebensprägung im Sinne der ehelichen Aufgabenteilung entscheidend ist. Diesen Begriff der lebensprägenden Ehe hat das Bundesgericht neu definiert. Bisher war eine Ehe bei einer Dauer von zehn Jahren oder einem gemeinsamen Kind lebensprägend. Neu ist im Einzelfall zu prüfen, ob die Ehe das Leben der Ehegatten grundlegend beeinflusst hat. Die Ehe ist lebensprägend, wenn ein Ehegatte seine Erwerbstätigkeit aufgegeben hat, um die Kinder zu betreuen und den Haushalt zu erledigen, und daher wird es ihm nach langjähriger Ehe verunmöglicht, an seiner früheren Arbeitsstelle anzuknüpfen, währenddessen der andere Ehegatte sich aufgrund der Aufgabenteilung auf seine berufliche Karriere konzentrieren konnte.
Ausgangslage bildet der während der Ehe gelebte Lebensstandard, welcher zugleich die Obergrenze darstellt. Die Lebensstellung ist besonders dann zu berücksichtigen, wenn zwischen den Ehegatten ein grosser sozialer Unterschied besteht.
Sowohl das Alter als auch die Gesundheit der Ehegatten sind bedeutsam bei der Frage, ob sie wieder ins Berufsleben einsteigen können. Beim Alter gibt es eine Verschiebung nach oben, da das Bundesgericht die sogenannte «45er-Regel» verabschiedet hat. Diese besagte, dass nach dem 45. Lebensjahr ein Wiedereinstieg in die Erwerbstätigkeit grundsätzlich nicht mehr zumutbar ist. Neu ist die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit stets zumutbar, sofern es eine solche Möglichkeit tatsächlich gibt und keine Gründe vorliegen, die dies verhindern – wie bspw. die Kinderbetreuung. Entscheidend sind die tatsächlichen Umstände im Einzelfall und damit – neben dem Alter und der Gesundheit – die zeitliche Verfügbarkeit, die beruflichen Fähigkeiten sowie die Situation auf dem Arbeitsmarkt.
Einkommen und Vermögen beeinflussen die finanzielle Leistungsfähigkeit eines jeden Ehegatten unmittelbar. Daher sind bei der Zusprechung von nachehelichem Unterhalt alle Einkommens- und Vermögensbestandteile heranzuziehen. Der zahlungspflichtige Ehegatte muss mit seinem Einkommen in der Lage sein, dem anderen Ehegatten die Summe, die dieser für die Aufrechterhaltung des gebührenden Lebensstandards benötigt, zu bezahlen. Hierbei ist grundsätzlich niemand verpflichtet, mehr als ein Arbeitspensum von 100 % zu verrichten.
Sodann ist beim Anspruch auf Unterhalt die Kinderbetreuung zu berücksichtigen, da derjenige Ehegatte, der die Kinder betreut, in seiner Eigenversorgungskapazität eingeschränkt oder ausgeschlossen ist. Lange galt bei der Betreuungspflicht der Kinder die «10/16 Regel». Diese ist vom Bundesgericht aufgehoben worden und neu gilt das sogenannte Schulstufenmodell. D.h., dem betreuenden Elternteil ist es zumutbar,
Die berufliche Ausbildung und Erwerbsaussichten sind zu beachten, wenn es um die Frage geht, ob dem bedürftigen Ehegatten die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit möglich und zumutbar ist. Hierbei sind die Erwerbsaussichten im Einzelfall zu berücksichtigen und somit auch persönliche Qualifikationen, die Berufserfahrung sowie die Lage auf dem Arbeitsmarkt. Je nach Ausbildung sowie Dauer der Unterbrechung der Erwerbstätigkeit muss der bedürftige Ehegatte mehr oder weniger Aufwand leisten, um sich selbst – teilweise oder vollständig – versorgen zu können.
Schliesslich sind bei der Festsetzung des Unterhalts die Vorsorgeanwartschaften der berechtigten Person einzubeziehen. Zu diesen gehören nicht nur die Ansprüche der 1. und 2. Säule, sondern auch jene sonstiger privater oder staatlicher Vorsorge – wie z.B. Ansprüche der 3. Säule oder Lebensversicherungen. Ausgeschlossen sind grundsätzlich erbrechtliche Anwartschaften.
Eine Anwartschaft ist ein möglicher Anspruch auf eine spezifische zukünftige Leistung, wobei dieser davon abhängt, ob gewisse Ereignisse bzw. Risiken – wie z.B. Alter, Tod oder Invalidität – in der Zukunft eintreten.
Der Unterhalt berechnet sich im Grundsatz nach der zweistufigen Berechnungsmethode mit Überschussverteilung. Zunächst sind die Leistungsfähigkeit bzw. die zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel der Ehegatten sowie gegebenenfalls der Kinder festzulegen. Anschliessend ist der Grundbedarf für jedes einzelne Familienmitglied zu ermitteln. Werden dann die Leistungsfähigkeit und der Bedarf einander gegenübergestellt, liegt entweder ein Überschuss oder ein Fehlbetrag / Manko vor:
In besonderen Situationen – namentlich bei überdurchschnittlich guten finanziellen Verhältnissen – kann von der zweistufigen Berechnungsmethode abgesehen und einstufig gerechnet werden. Hierbei wird der Unterhalt nach dem reellen Bedarf berechnet. Mit anderen Worten wird genau ausgerechnet, was wer zum Leben braucht. Das Bundesgericht hat aber festgehalten, dass eine einstufige Berechnungsmethode nur ausnahmsweise bei überdurchschnittlichen finanziellen Verhältnissen zur Anwendung gelangt.
Um die Leistungsfähigkeit zu bestimmen, muss das Gesamteinkommen und / oder Vermögen der entsprechenden Personen ermittelt werden. Hierbei ist zwischen der Leistungsfähigkeit der Ehegatten und der Leistungsfähigkeit der Kinder zu unterscheiden:
Ein hypothetisches Einkommen ist ein Einkommen, das ein Ehegatte tatsächlich realisieren könnte, wenn er seine Erwerbsfähigkeit vollumfänglich ausschöpfen würde. Demnach kann einem Ehegatten ein hypothetisches Einkommen angerechnet werden, welches über dem effektiven Einkommen liegt, falls es diesem zumutbar und tatsächlich möglich ist, ein höheres Einkommen zu erzielen. Bei der Festsetzung des hypothetischen Einkommens sind insbesondere berufliche Qualifikationen, das Alter und die Gesundheit des Betroffenen sowie die Situation auf dem Arbeitsmarkt zu berücksichtigen.
Der Bedarf eines Ehegatten wird in zwei Schritten berechnet. Zunächst ist vom betreibungsrechtlichen Existenzminimum auszugehen. Dieses wird in einem zweiten Schritt um weitere Positionen zum familienrechtlichen Existenzminimum bzw. Grundbedarf erweitert.
Das betreibungsrechtliche Existenzminimum besteht aus dem Grundbetrag sowie aus unterschiedlichen Zuschlägen. Der Grundbetrag dient dazu, dass der Bedarf an Nahrungs-mittel und Bekleidung, die Auslagen für Hygiene sowie Teil der Wohnnebenkosten abgedeckt werden. Zusätzlich sind betreibungsrechtliche Zuschläge für Wohnkosten, Berufsauslagen und bestimmte Sozialversicherungsbeiträge – wie bspw. Beiträge der Krankenkasse – anzurechnen, falls diese Kosten tatsächlich anfallen.
» Siehe Beispiel (Tabelle PDF)
Beim familienrechtlichen Existenzminimum wird das betreibungsrechtliche Existenzminimum um bestimmte Positionen – wie Hausrat- und Haftpflichtversicherung, Kommunikationskosten und Steuern – erweitert.
» Siehe Beispiel (Tabelle PDF)
Ergibt die Berechnung des nachehelichen Unterhalts einen Überschuss, ist dieser unter den berechtigten Familienmitgliedern aufzuteilen. Hierbei kommt grundsätzlich «eine Verteilung nach grossen und kleinen Köpfen» zur Anwendung. Dies bedeutet, dass den minderjährigen Kindern gegenüber ihren Eltern nur ein halb so grosser Überschussanteil zusteht. Erwachsene gelten somit als «zwei Köpfe», Kinder demgegenüber als einen «Kopf».
» Siehe Beispiel (Tabelle PDF)
Bei guten finanziellen Verhältnissen kann bei der Festsetzung des Familienunterhalts eine Sparquote übrigbleiben. Die Sparquote ist derjenige Teil des Einkommens, der nicht für den Familienunterhalt verwendet wird. Falls eine solche Sparquote besteht, ist diese von der Überschussverteilung herauszunehmen. Damit ist gemeint, dass der unterhaltsberechtigte Ehegatte die Sparquote nicht zu teilen hat. Dieser hat jedoch das Vorliegen einer solchen Sparquote zu beweisen.
Der Betreuungsunterhalt umfasst die indirekten Kosten, die einem Ehegatten für die persönliche Betreuung der Kinder entstehen. Mit dem Betreuungsunterhalt wird somit die Existenz der Betreuungsperson sichergestellt, da es dieser aufgrund der persönlichen Kinderbetreuung nicht möglich ist, durch Erwerbstätigkeit für ihren Lebensunterhalt aufzukommen. Zu beachten ist aber, dass der Betreuungsunterhalt dem Kind und nicht dem Ehegatten, der die Kinder persönlich betreut, zusteht. Anspruch auf den Betreuungsanspruch hat folglich das Kind, obwohl der Unterhaltsbeitrag an den betreuenden Elternteil zu leisten ist (Art. 289 Abs. 1 ZGB).
» Siehe Beispiel (Tabelle PDF)
Die Berechnung des Betreuungsunterhaltes bestimmt sich nach der Lebenshaltungskosten-methode. Die Lebenshaltungskosten basieren auf dem familienrechtlichen Existenzminimum des betreuenden Ehegatten, welches folglich in einem ersten Schritt zu berechnen ist. Sodann ist das faktische sowie gegebenenfalls hypothetische Einkommen der Betreuungsperson vom familienrechtlichen Existenzminimum abzuziehen. Hierbei ist bei der Frage, ob und in welchem Umfang die Betreuungsperson verpflichtet ist, ein eigenes Einkommen zu erzielen, das Schulstufenmodell zu berücksichtigen. Kurzum berechnet sich der Betreuungsunterhalt nach der Differenz zwischen den Lebenshaltungskosten der Betreuungsperson und deren Einkommen.
» Siehe Beispiel (Tabelle PDF)
Heute gilt im Grundsatz das Primat der Eigenversorgung. Ziel nach einer Trennung bzw. Scheidung ist es demnach, dass die Ehegatten möglichst schnell wieder finanziell selbständig werden. Somit müssen die Ehegatten in der Regel eine Erwerbstätigkeit aufnehmen bzw. ihre bisherige Erwerbstätigkeit ausweiten, um in finanzieller Hinsicht für sich selbst sorgen zu können. Daher ist grundsätzlich nicht mehr bis zum Lebensende Unterhalt zu bezahlen.
Das Primat der Eigenversorgung bedeutet, dass ein Ehegatte nur Anspruch auf Unterhalt hat, wenn es ihm weder möglich noch zumutbar ist, allein für den gebührenden Unterhalt einschliesslich einer angemessenen Altersvorsorge aufzukommen (Art. 125 Abs. 1 ZGB). Nach einer Trennung bzw. Scheidung wird folglich von jedem Ehegatten erwartet, dass er selbst für seinen Unterhalt aufkommt. Es gilt das Prinzip des «clean break».
Der nacheheliche Unterhalt wird grundsätzlich in Form einer monatlichen Rente bezahlt (Art. 126 Abs. 1 ZGB). In bestimmten Ausnahmefällen ist es möglich, dass eine einmalige Kapitalabfindung festgelegt wird (Art. 126 Abs. 2 ZGB).
Ein Unterhaltsanspruch erlischt von Gesetzes wegen, wenn ein Ehegatte stirbt (Art. 130 Abs. 1 ZGB) oder der unterhaltsberechtigte Ehegatte wieder heiratet bzw. in einer eingetragenen Partnerschaft lebt (Art. 130 Abs. 2 ZGB).